Wann geht endlich diese Verstöpselung weg …. (und keine Zeit für Trauer)
Kaum vorstellbar wie schmerzhaft eine tagelange Verstopfung sein kann. Die Thrombozyten sind im Keller, wir müssen nahe am Krankenhaus bleiben. Zudem kann kein Port gesetzt werden, da eine homozygote Form des Faktor-V-Leiden festgestellt wurde. Das Blut ist zu dick und die Thrombosegefahr viel zu hoch. Alles muss durch die Armvenen rein und jede Woche neu gestochen werden. Echt jetzt? Ich hoffe das wars dann mal mit seltenen Erkrankungen.
Tag und Nacht wälzt er sich hin und her und jammert: „ Es tut so weh“. Wenn’s ganz schlimm ist, läuft er weinend im Kreis und ruft nach mir. Massage,Tropfen, Medikamente, Einlauf, Fencheltee, Pflaumensaft, warme Auflagen, Wickel, Bewegung, Bäder … wenn es einmal festsitzt löst es sich kaum, denn die Chemo trocknet aus. Eine Woche lang war ich 24 h pro Tag im Dauereinsatz und klar kriegt man da auch mal von der Großen an den Kopf geworfen: „ Du kümmerst dich nur um ihn. Ich will das er nicht mehr da ist. Ich will auch eine Chemo. Ich möchte nicht mehr bei euch leben.“ Und ich denke mir: ich verstehs ja ich würde jetzt grade auch gerne weg, es geht einfach an die Substanz jemanden so sehr leiden zu sehen und nicht wirklich helfen zu können.
Dann wird Madame fürs Wochenende von der Front abgeholt und darf zum Papa und kann Abstand gewinnen und sich erholen.
Und der kleine Kämpfer und ich? Kämpfen weiter, durchaus beide schon sehr verzweifelt und knapp davor ins Krankenhaus zu düsen – weil nicht mal mehr das Sitzen im Auto ohne Schmerzen klappt. „Wann geht endlich diese Verstöpselung weg“, meint er.
Es geht kein Essen mehr, auch das Trinken wird schwierig …. jetzt wird’s kritisch und wir machen einen Lagebesprechung am Esstisch:
„Hey, ich weiß es ist hart aber wir geben nicht auf. Wir geben nicht auf. Wir kriegen das hin“
„Was ist, wenn ich aufgebe?“
„Dann geb ich für uns beide nicht auf“
… und ein Freudestrahlen huscht über sein Gesicht und ich selbst bin erstaunt, wie wichtig das nun offenbar für ihn war. Zwei Tage später ist der Kampf geschafft, ich erfahre am Telefon vom Papa das endlich alles ok ist und auch die Blutwerte wieder passen und die nächste Chemo gemacht werden kann… denn ich bin anderswo, nehme Abschied von einem wunderbaren Menschen, einer wunderbaren Frau die mein ganzes Leben lang da war .. und jetzt nicht mehr. Und denk mir: ich hatte keine Zeit für Trauer ….